Wednesday, September 9, 2015

Neidische Engel

Die Ulam-Spirale.
Alles ist endlich. Stell Dir eine unendliche Linie vor, zum Beispiel den Zahlenstrahl der ganzen Zahlen, und parallel dazu darunter einen endlichen Abschnitt.
Beziehungen enden, Menschen sterben, Drogen befriedigen nicht mehr. Danach gibt es noch ein Flimmern, ein Echo, ein Rauschen, aber das ist nicht real, sondern wie Signalfahnen auf der Mauer einer verlassenen Burg: Wenn der Wind weht, flattern sie mit, aber sie signalisieren nichts mehr.
Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Welt, er macht einen Teil der Essenz der Welt aus.

Aber was ist das Gute an der Endlichkeit?

Endlich zu sein, macht frei. Das ist der große Vorteil der Endlichkeit.
Stell' Dir vor, Du wärst ein Schlüsselmacher und Du würdest eines Tages, vielleicht aus Versehen, den perfekten Schlüssel herstellen. Der perfekte Schlüssel: Er ist wunderschön und öffnet jede Tür. Dann wäre Deine Schlüsselmacherei vorbei: Ab jetzt wärst Du gezwungen, nur noch den perfekten Schlüssel herzustellen (denn wenn es ihn gibt, dann wäre jedes sich-mit-geringerem-zufrieden-geben schäbig).
Nur dadurch, dass Du nicht den perfekten Schlüssel herstellen kannst (oder wirst), bist Du frei, ein Schlüsselmacher zu sein. Wesen, die diese Endlichkeit nicht haben, Engel und Roboter, beneiden uns, Menschen, darum.

Tuesday, September 8, 2015

Ist die Welt chaotisch?

Ist die Welt chaotisch? Chaotisch im griechischen Sinne: ungeordnet, grausam, zufällig, leer. Drei mögliche Antworten:
Walter Crane's Four Seasons Painting

1. Die heidnische Weltsicht

In allen heidnischen Religionen ist die (sichtbare) Welt der ultimative Horizont. Die Welt ist alles, was da ist. Das Ziel der heidnischen Religionen ist die Herstellung, beziehungsweise Erhaltung einer kosmischen Harmonie. Diese muss mühsam errungen werden, denn die Welt ist immer von Chaos bedroht. Man kann sich das tatsächlich so vorstellen, dass im Heidentum unsere Welt eine Insel der (mehr-oder-weniger) Harmonie in einem unermesslichen Ozean des Chaos ist.

2. Gnosis
Über ihre Wirkungszeit als aktive Sekte wirkt die Gnosis auch heute noch nach. Sie geht davon aus, dass die Welt, alles Materielle, von einer bösartigen, niederen Gottheit geschaffen wurde. Unsere Seele dagegen kommt von der höchsten Gottheit, ist in dieser Welt gefangen und wird nach dem Tod zu ihr zurückkehren.

3. Christentum
So verschieden Heidentum und Gnosis auch sind, sie haben eines gemeinsam: Sie gehen davon aus, dass es eine benennbare Struktur der Welt gibt. Im Christentum wurde die Welt von Gott geschaffen, aber sie ist sozusagen "leer". Weder wird sie von Quasi-Gottheiten bevölkert noch gibt es einen Bauplan, der irgendwie hinter der Welt liegt. Das bedeutet, dass die Welt "ontologisch offen". Der Mensch kann diese Öffnung ausnutzen, ist aber somit auch für die Welt, das Leben und das Materielle, verantwortlich. Ein Christ steht zur Welt weder pessimistisch noch optimistisch, sondern partiotisch: So wie ein Partiot zu seinem Land, um dessen Schwäche er weiß, an dessen Entfaltung er aber tätig mitwirkt.

Eine Welt, die weder intrinsisch heilig ist noch einen verborgenen Bauplan hat - ist das nicht eine sehr atheistische Sicht? 

Ja, klar. Aber Atheismus ist nicht notwendigerweise etwas schlechtes. Die ersten Christen wurden von den Griechen "die Gottlosen" genannt. Harter Atheismus hat sehr viel mehr mit hartem Christentum zu tun als beide etwa mit der Esoterik.
Beide treffen eine Welt an, die noch nicht einmal schlecht, sondern nur leer, unbestimmt ist. Der krasse Unterschied zwischen beiden ist, dass im Christentum der Mensch im Mittelpunkt steht und im Atheismus, irgendwie, am Rande.
Außerdem bleibt der Atheismus bei der Unbestimmtheit und Leere der Welt, wohingegen das Christentum davon ausgeht, dass die Welt einen Sinn hat (worin auch immer dieser bestehen mag).

Saturday, September 5, 2015

Nothing is permanent

Das Leben ist mit dem Tod vorbei. Das musst Du einfach so hinnehmen. Danach kommt für Dich, mich, für uns alle, für das Subjekt kein Weiterleben, kein neues Leben, keine Wiedergeburt und kein Quasi-Leben. 
Was danach kommt, ist etwas ganz anderes - so wie eine Pflanze etwas ganz anderes ist als ein Samen. Dieses Ganz andere geschieht aufgrund eine göttlichen Intervention. Es ist also kein regulärerer Teil des Lebens-Systems.

Warum ich ein gläubiger Katholik bin

Leute sind immer überrascht, wenn ich sage, dass ich praktizierender Katholik bin. Deswegen möchte ich die Gründe dafür kurz darlegen:
Henry Tanner - Nicodemus visiting Jesus
Ich glaube, dass das Leben einen Sinn hat. Mit Leben meine ich weder das Prinzip Leben (Bios) noch die Gesamtheit des Lebens noch Gaia oder die Welt als Ganzes, sondern die menschliche Existenz. Dieser Sinn hängt irgendwie mit Gott zusammen. Im Sinne von Thomas von Aquin ist Gott Wirklichkeit, actualitas, und in Jesus öffnet sich diese Wirklichkeit für uns oder vielleicht auch zu uns, Menschen. 
Das ist alles christliches Denken. Was ist das spezifisch katholische daran? Ich bin aus zwei Gründen nicht nur Christ, sondern ganz explizit Katholik: 1. Weil die katholische Kirche das sinnliche am Leben betont. 2. Weil sie tendenziell auf der Seite der Vernunft und der intoleranten Liebe steht.

Aber warum bist Du dann nicht Zeuge Jehovas? Bei denen ist doch alles logisch?

Wenn ich mir den "Wachturm" durchlese, kommt mir alles darin tatsächlich sehr schlüssig und logisch vor. Allerdings gibt es einen Unterschied: Im Katholizismus ist der Kern des Glaubens kein Wissen und kein der Vernunft zugängliches Faktum, sondern eben ein ... Glaubensding, etwas Unvernünftiges. Dies ist die Ausnahme von der Vernunft, die Vernunft ermöglicht. Außerdem sind die Zeugen Jehovas prüde, während Katholiken in der Regel sexbesessen sind und Kunst mögen.