Wednesday, November 17, 2010

Der nächste Highlander

Dass Medizin und Forschung das Lebensende stetig nach hinten verschieben, bekräftig das gängige Urteil, Unsterblichkeit sei der auf für immer verschobene Tod. Durch die gleichzeitige Demonstration der prinzipiellen Wertlosigkeit menschlichen Lebens im neoliberalen System (etwa durch Genozide an Orten, die uns sowieso gleichgültig sind und Kindstod in Sweatshops) wird die Frage nach der Unsterblichkeit brennend relevant. 

Vieles spricht dafür, Unsterblichkeit nicht als Fortdauern des Selbst über den Tod hinaus zu begreifen, sondern in der Überzeitlichkeit des Jetzt. Wenn ich nicht halb in der Vergangenheit und halb in der Zukunft, sondern stets, mit voller Intensität, in der Gegenwart lebe und mich dieser stelle, wird das Leben von 
der Geschichte meines sich verändernden Ichs 
zum 
Überzeitlichen Jetzt, das nie vergeht und immer anders ist. 
Daher betonen christliche Mystiker die Bedeutung dieser Welt als Ort der Wirklichkeit Gottes (und nicht das Jenseits oder eine andere Welt). So streicht Meister Eckhart, dass Gott die Welt in jedem Augenblick erschaffe; nicht bloß bei der Schöpfung oder vielleicht noch beim Harmagedon ein weiteres Mal).

Wer wäre dann unsterblich? Ein treffendes Beispiel ist der Doktofisch Dorie aus „Findet Nemo“ (2003). Als einzige Figur in dem Film (und allen anderen Filmen), lebt sie ganz im Augenblick. Da Gegenwart und Zukunft für sie keine Rolle spielen, hat sie keine Möglichkeit schützende oder einschließende Filter um sich herum zu errichten, welche die Fülle und Forderung des Moments dämmen oder abmildern würden. Außerhalb der Zeit stehend, ist jeder Abschnitt ihres Lebens aufgehoben und allen anderen ohne Groll oder Bedauern gleichberechtigt. Ihr Tod wäre für sie subjektiv (und das ist die einzig relevante Betrachtungsweise, insofern als objektives Leben und objektiver Tod auch für bewusstseinsloses Leben gilt – aber nur für „beseeltes“ Leben eine Rolle spielt) nicht das Ende einer Linie, sondern nur ein weiteres Jetzt von spezifischer Intensität.
Lernen wir also („sprach Zarathustra“) wie Dorie zu fühlen.

No comments:

Post a Comment