Friday, November 26, 2010

Wie groß war Jesus wirklich?

As a robot living among humans, I've never really felt accepted at parties or nude beaches. So I've always secretly wondered... what if I was five-hundred feet tall? 
Bender in: 
„Futurama: Anthology of Interest I“ (2000) 

In einer Kleinstadt in Westpolen hat ein einfacher Pfarrer genug Geld gesammelt, um damit die größte Jesus-Statue der Welt zu bauen. Der Vatikan regierte verhalten. Sagte nichts dagegen, enthielt sich aber auch sonst eines Kommentars, noch nicht einmal ein „Gut gemacht, Jungs“ kam aus der Ewigen Stadt.

Kein Wunder, denn selbst zwischen den eh traditionell stark nach Heidentum schmeckenden Gesten des katholischen Bodenpersonals in ultramontanen Staaten (Italien, Irland, Polen et cetera) sticht die Statue in ihrer Unchristlichkeit heraus.

Meister, Lehrer, Rabbi Jesus: Was von der Bevölkerung Judäas um das Jahr Null herum erwartet wurde, war ein göttlicher Krieger, ein Messias, der mit flammenden Schwert die römische Besatzungsmacht zerbricht und ein israelisches Großreich nach davidischem Vorbild errichtet.

JC jedoch war eine äußerlich unscheinbare Gestalt mit relativ unspektakulären Superkräften (etwa verglichen mit Spiderman): Ein Zimmermann aus Galiläa. Seine Botschaft (Gewalt wird überbewertet, Schwerter und Kronen auch; wichtig sind Glaube, Hoffnung, Liebe und diese drei sind im Herzen, nicht in Tempeln) stand im krassen Widerspruch zu der gängigen Vorstellung davon, was ein Christus zu sagen haben sollte und war dermaßen provozierend, dass seine „exegetisch überforderten“ (Hans Conrad Zander) Zuhörer ihn hinrichten ließen. Zum ersten Papst machte JC einen Fischer: Petrus, sein erster Prophet war ein Zeltmacher: Paulus. Dabei kannte JC auch Hohepriester, römische Generäle und jüdische Helden (Zeloten).

Zweitausend Jahre später ist der Wunsch nach klassischer, vorchristlicher Erhabenheit groß. Wie schön wäre es doch, einen bärtigen Odin, einen mächtigen Thor, einen blutrünstigen Vishnu oder auch nur einen arroganten Zeus als Gott zu haben - statt eines Gottes, der so menschlich, so allzu-menschlich, uns so furchterregend ähnlich ist.

Wednesday, November 17, 2010

Der nächste Highlander

Dass Medizin und Forschung das Lebensende stetig nach hinten verschieben, bekräftig das gängige Urteil, Unsterblichkeit sei der auf für immer verschobene Tod. Durch die gleichzeitige Demonstration der prinzipiellen Wertlosigkeit menschlichen Lebens im neoliberalen System (etwa durch Genozide an Orten, die uns sowieso gleichgültig sind und Kindstod in Sweatshops) wird die Frage nach der Unsterblichkeit brennend relevant. 

Vieles spricht dafür, Unsterblichkeit nicht als Fortdauern des Selbst über den Tod hinaus zu begreifen, sondern in der Überzeitlichkeit des Jetzt. Wenn ich nicht halb in der Vergangenheit und halb in der Zukunft, sondern stets, mit voller Intensität, in der Gegenwart lebe und mich dieser stelle, wird das Leben von 
der Geschichte meines sich verändernden Ichs 
zum 
Überzeitlichen Jetzt, das nie vergeht und immer anders ist. 
Daher betonen christliche Mystiker die Bedeutung dieser Welt als Ort der Wirklichkeit Gottes (und nicht das Jenseits oder eine andere Welt). So streicht Meister Eckhart, dass Gott die Welt in jedem Augenblick erschaffe; nicht bloß bei der Schöpfung oder vielleicht noch beim Harmagedon ein weiteres Mal).

Wer wäre dann unsterblich? Ein treffendes Beispiel ist der Doktofisch Dorie aus „Findet Nemo“ (2003). Als einzige Figur in dem Film (und allen anderen Filmen), lebt sie ganz im Augenblick. Da Gegenwart und Zukunft für sie keine Rolle spielen, hat sie keine Möglichkeit schützende oder einschließende Filter um sich herum zu errichten, welche die Fülle und Forderung des Moments dämmen oder abmildern würden. Außerhalb der Zeit stehend, ist jeder Abschnitt ihres Lebens aufgehoben und allen anderen ohne Groll oder Bedauern gleichberechtigt. Ihr Tod wäre für sie subjektiv (und das ist die einzig relevante Betrachtungsweise, insofern als objektives Leben und objektiver Tod auch für bewusstseinsloses Leben gilt – aber nur für „beseeltes“ Leben eine Rolle spielt) nicht das Ende einer Linie, sondern nur ein weiteres Jetzt von spezifischer Intensität.
Lernen wir also („sprach Zarathustra“) wie Dorie zu fühlen.

Monday, November 8, 2010

Vom Regen in Italien

Woher kommt eigentlich das Sprichwort „Einem Polen schadet der Regen nichts"? Wenn polnische Kinder meckern, dass die Autofahrt zu lang, der Kakao zu kalt oder der Pulli zu kratzig ist, bekommen sie von ihren Müttern (seltener von ihren Vätern) gelegentlich obigen Satz zu hören.

Er stammt aus einem Gespräch zwischen den beiden alliierten Befehlshabern Bernard Freyberg und Wladyslaw Anders bei der Schlacht von Monte Cassino. Freyberg konnte kein Französisch (geschweige denn Polnisch) und Anders (zu dem Zeitpunkt noch) kein Englisch. Sie konnten aber beide Deutsch: Freyberg hatte es von seinem Vater und Anders von seiner Mutter gelernt. So kam es zu der absurden Situation, das bei einer der entscheidenen Schlachten im Zweiten Weltkrieg zwei alliierte Generäle sich auf deutsch verständigten.

Laut der Legende soll es stark geregnet haben. Freyberg stand unter einer Überdachung, Anders ein wenig davor. Anders stand im Regen, hatte aber dafür einen besseren Überblick auf das Kampfgeschehen. Freyberg soll ihn schließlich (auf deutsch) gefragt haben, ob er sich nicht lieber unterstellen wollte, die Sicht sei vom Unterstand immer noch recht passabel, woraufhin Anders antwortete:

„Einem Polen schadet der Regen nichts."
Womit er ausdrücken wollte, dass den Polen (wie er einer war) schon so viel Schlimmes widerfuhr, dass der Regen sein geringstes Problem sei.

Dieses Sprichwort war unmittelbar nach dem Krieg sehr populär, geriet jedoch in Vergessenheit, als Anders im Sozialistischen Polen zur persona non grata erklärt wurde. Über die Vermittlung der polnischen Exilanten in England blieb es trotzdem im Bewusstsein (Ryszard Kaczorowski - der selbst an der Schlacht von Monte Cassino als gemeiner Feldsoldat teilnahm und der gerade geschilderte Anekdote überlieferte; siehe zum Beispiel http://www.prezydent.pl/nasz-kraj/historia-prezydentury/prezydenci-na-uchodzstwie/- erwähnte sie gerne) und erlebt zurzeit unter polnischen Intellektuellen eine kleine Renaissance.